Tuesday 13 September 2011

9/11 #2: Im Westen nichts Neues?



Ich möchte betonen, dass ich keine der Gewalttaten rechtfertigen möchte und jede Form der Gewalt ablehne und verabscheue. 


Am 11. September 2001 war ich 10 Jahre alt. Ich wusste Nichts von dem, was passierte. Wahrscheinlich da ich kein fern sah. Meine Vorstellung der Abläufe nahmen erst am nächsten Tag ihre Form an. Klassenkameradinnen, die besonders informiert waren, erklärten mir, dass "Irgendwelche mit dem Flugzeug in ein Großes Haus in Amerika geflogen sind. Terroristen oder so.". Ich kann mich noch an den Gedanken erinnern, was denn so schlimm daran sei. Als ich aber in die entsetzten Gesichter meiner Klassenkameraden blickte, die zwar die Fernsehbilder gesehen hatten, aber zweifellos genauso wenig von "Terroristen" wussten wie ich, stellte ich mir ein großes Haus in Amerika vor. Das größte, zu dem meine Vorstellungskraft im Stande war, war ein großes weißes Haus mit runden Pfeilern und in welchem der Präsident wohnte. Jenes hatte ich in dem Bilderbuch Weltatlas gesehen. Vielleicht war das Flugzeug auf dieses Haus abgestürzt. Aber wozu der ganze Trubel? Solche Dinge passierten. Es gab Wichtigeres.


Wie sich im Laufe der nächsten Tage herausstellte, stand ich mit meiner Gleichgültigkeit aber ziemlich allein da. Eine Woche lang waren auf der Titelseite des Kölner Stadt Anzeigers Bilder der "Twin Towers" (diese Begriffe prägten sich recht schnell in unsere kleinen Köpfe) mit aufsteigendem Rauch zu sehen, bis diese anderen Artikeln auf die 2. Doppelseite wichen und weiter von der 3. auf die 4. und schließlich auf den Panorama-Teil. Letztendlich beeindruckte mich das Motiv der Täter und ihre Vorgehensweise mehr als die Zahl der Toten oder die Rachegedanken der US-Regierung. Das lag nicht zuletzt daran, dass meine Mutter sich darum bemühte, entgegen der allgemeinen "wir trauern um die amerikanischen Opfer und erklären allen Muslimen den Krieg"-, und der mit ihr verwandten "alle Muslime sind Terroristen"- Mentalität zu steuern. Außerdem war ich ein rebellisches Kind und dazu in einer Phase, in der ich mich am liebsten selbst in ein Flugzeug gesetzt hätte (Ihr braucht mich nicht ganz beim Wort nehmen :-] )

Am 11. September 2011 bin ich 20 Jahre alt. Mein Bild von dem Muslimen hat sich geklärt und rationalisiert. In meinem Bewusstsein haben Muslime eine langwierige Gratwanderung vom Terroristen und Islamisten über den Dogmatiker und Hitzkopf bis hin zu dem, was ich heute unter "Muslim" verstehe, durchgemacht . Außerdem habe ich gelernt, dass der Terrorismus und die Motive der Täter des 11. Septembers zuerst einmal Garnichts mit dem Muslim-sein zu tun haben. Es sind rein politisch inspirierte Taten, die in einer großen Frustration und dem tiefen Hass gegenüber den Vereinigten Staaten und der vermeintlichen Überheblichkeit der westlichen Welt gegenüber der muslimischen Welt wurzeln. Diese Taten erheben für sich den Anspruch eine Antwort auf unzählige militärische Übergriffe auf Länder, die wie Spielfiguren auf einem großen Spielbrett den Spielzügen der mächtigsten Staaten der Welt ausgeliefert sind, zu sein. Natürlich greifen Propaganda fundamentalistischer "Muslime" (Besser:"Islamisten") sowie der Wunsch von Millionen friedvoller und mittelloser Menschen, eine Stimme zu haben und dass diese von jenen, die mächtiger und bedauerlicher weise oft Verursacher ihres Leids sind, erhört werde, zusammen. Idealisten nutzen die tiefe Ohnmacht ganzer Bevölkerungen aus, um ihren Ideologien ein Fundament und die Unterstützung der Masse zu verleihen.

Der Akt des 11. Septembers wurde zu einem Zeichen der Verachtung. Er wurde zu einem Symbol der Auflehnung. Zu einer Klage der Unmündigen. Aber er wirft berechtigte Fragen auf: Wann wären wir aufgewacht aus unserem Glauben an die Überlegenheit der Demokratie und der Allgemeingültigkeit der von uns entwickelten Konzepte, aus unserem Glauben an die eigene Kulturüberlegenheit? Wann hätten wir angefangen zwischen "westlichem" Denken zu unterscheiden, unter verschiedenen Gesichtspunkten zu differenzieren? Wann hätten wir angefangen unsere Gegenwart als eine Folge verschiedenster Handlungen und Vorgehensweisen in der Vergangenheit anzuerkennen und die Legitimation der berechnenden und intriganten Vorgehensweise unserer Staatsmänner und Geheimdienste zu hinterfragen?

Der Terrorismus ist ein lautes Symptom einer sich wandelnden Wahrnehmung des Westens und seiner Werteskala. 

  

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