Wednesday 7 September 2011

Ihm gehört der Osten



Odessa 2010


Wer's nicht glaubt - googelt nach. Unter dem Suchbegriff "Europa" findet man einen Wikipedia-Artikel mit dem Hinweis "Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig." Weniger mehrdeutig als vermeintlich der Titel ist, ist der erste Satz des Kapitels 3.2 Religionen: "Das Christentum und der Islam sind die am weitesten in Europa verbreiteten Religionen." Wikipedia muss es wissen. Und es geht weiter: "Das Christentum erreichte Europa erstmals im 1. Jahrhundert nach Chr. Der Islam breitete sich im 8. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel aus, wurde aber im Zuge der „Reconquista“ vom 13. bis zum 15. Jahrhundert wieder verdrängt." Wikipedia will es uns anscheinend spannend machen. Der Islam wurde also verdrängt. Wie kann er dann die zweit verbreitetste Religion in Europa sein? Des Rätsels Lösung findet man weiter unten im Artikel auf der politischen Karte Europas. Da Spanien ja entislamisiert ist, muss man den Blick in Richtung Osten wenden. Dort befindet sich ein europäisches Land namens Ukraine. Ihr habt jetzt bestimmt gedacht ich würde schreiben "Türkei"! Aber nein, ich wollte nicht von Gastarbeitern schreiben und auch nicht von Hinterhofmoscheen und allem was dazu gehört. Ich wollte über etwas Europäisches schreiben das weder provisorisch noch versteckt existiert, selbstverständlich genug um übersehen zu werden und trotzdem repräsentativ. Über den Islam in der Ukraine. 
Laut Wikipedia (Das bin nicht ich, die nur in Wikipedia liest!) haben bereits im 8. Jahrhundert die ersten Völker auf dem Gebiet der heutigen Ukraine den Islam angenommen. Zunächst eine Minderheit der Chasaren, dann eine weitere Minderheit der Kyptschaken. Schließlich nehmen ihn die Mongolen und Tataren an, welche anschließend auf der Krim, der südukrainischen Halbinsel, ansiedeln. Nach der Herrschaft der Türken mit weiten Gebietsverlusten und dem Zerfall der mongolischen Goldenen Horde gerät der Islam in eine Bedrängnis. Anschließende Russifizierungen im 19. Jahrhundert sowie die Deportation der Krimtataren 1944 zur Zwangsarbeit nach Sibirien und Mittelasien haben zur Folge, dass der Islam in eine Ausweglosigkeit gerät welche erst nach 1991 überwältigt werden kann. Obwohl das geistliche und insbesondere das materielle muslimische Leben noch sehr auf die Hilfe von Übersee angewiesen ist, so haben sich die Gemeinden doch tapfer auf den Beinen gehalten. Meinen Recherchen zufolge stelle ich fest dass Arabischkurse, Tafsir und Koranunterricht geradezu prosperieren und auch die ein oder andere wunderschöne Moschee errichtet worden ist. Besonders Hervorheben möchte ich als Beispiel das "Arabic Cultural Centre of Odessa" welches ich im Sommer 2010 auf einer Reise durch die Ukraine besichtigen konnte. Damals wahr es von einem Baugerüst und einem grünen Sicherheits-Netz verhüllt, womöglich wurde die Fassade vollendet. Dabei besteht es schon seit 2001 dank eines syrischen Geschäftsmannes, der eine Ukrainerin geheiratet hatte. In der Architektur vermischen sich Elemente des Zentralasiatischen Stils mit den grünen und türkisfarbenen Mosaiksteinchen sowie die Eleganz und Schlichtheit des Arabischen Moscheebaus. Repräsentativ und so schön, dass es mir den Atem raubte und trotzdem mühelos und fast bescheiden. Tadellos reiht es sich in die umliegende Häuserlandschaft ein. Auf der Seite www.salatomatic.com wird das Zentrum als "Offen für jeden, der über Arabische Kultur oder Arabisch lernen möchte" beschrieben. Auf der Seite www.odessatourism.in.ua findet sich unter anderem folgender Text: "All comers are welcome (as it is written on the walls of the Center: "Women, men and children.")."
Diesbezüglich möchte ich mich bei der Moschee ausdrücklich für das Einhalten dieses Versprechens bedanken. Tatsächlich wurden wir, meine Mutter, Schwester und ich freundlich begrüßt und empfangen. Ein jede von uns hatte kohlrabenschwarze Füße von der langen Stadtbesichtigung, ein leichtes Sommerkleid und dazu kamen wir spät abends fernab üblicher Besichtigungszeiten. Man lies uns in aller Ruhe barfuß auf dem wunderschönen hellblauen Teppich herumtrampeln und alles und Jeden fotografieren. Lediglich ein längeres Kleid gab man uns um uns zu bedecken. Ebenso entspannt und freundlich ließ man uns gehen. Wen dies nicht beeindruckt, weiß nichts von der Liebe eines Muslims zur Sauberkeit noch von den üblichen Verhaltensformen durchschnittlicher Angestellter in geistlichen Zentren der Ukraine. AlhamduLillah für die Freundlichkeit und Toleranz die man uns entgegenbrachte!     
Hierzu möchte ich einen kleinen Vers anfügen. Möge er allen Gläubigen Trost und Mut spenden und den wenigen islamophoben Exemplaren unserer Bevölkerung die Haare vor diesem Gedanken zu Bergen stehen lassen :) er lautet wie folgt: 

“Allah gehört der Osten und der Westen. Wohin ihr euch auch wenden möget, da habt ihr Allahs Antlitz vor euch. Er umfaßt alles und weiß Bescheid”. Sura Al-Baqara, Vers 115




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