Friday 26 August 2011

Achtung: Kochendes Blut!


In der Bäckerei sind es gefühlte achtzig Grad. Um fünf Uhr früh fängt man an. Erst werden Waren ein- und ausgeräumt, dann wird gebacken, aufgetaut und wieder gebacken. Hefezöpfe, Schokocroissants, Dinkelbrötchen, Apfelecken und Käselaugenstangen füllen nach und nach die hell erleuchteten Theken. Brötchen müssen belegt werden. Mit Pute, Käse, Salami (auch in helal-qualität aus Geflügel!), Cammenbert, Mozzarella. Der Boden wird gekehrt, es wird ein wenig gespült, Salate werden gewaschen, Tomaten geschnitten und wieder wird gebacken. Es ist erst 6 Uhr, der Tag liegt noch lang und schwer vor einem, das Ende lässt sich kaum erahnen. Wäre da nicht diese kleine Verschnaufpause! Bevor die nächsten Kunden den Laden stürmen und eine Theke nach der anderen auf der Suche nach zufriedenstellenden Kohlenhydraten plündern, nimmt man sich die Kollegin ("Kommst du kurz rauchen? Los, schnapp dir deine Jacke") für eine Zigarette oder zwei. Schön kühl ist es draußen, herrlich frisch. Also setzt man sich auf die Stühle des noch geschlossenen italienischen Eis-Cafes gegenüber, zündet sich eine an und seufzt leise. Ein bisschen in die Dämmerung starren. So lässt sich die Arbeit doch gleich viel besser verkraften, oder? Ein kurzes Lachen und dann ein solidarisches Nicken. Ja, sehr viel besser sogar.

STOPP!
Es tut mir leid mich an dieser idyllischen Stelle äußern zu müssen aber ihr habt Jemanden vergessen!
Wen denn? 
Na, mich natürlich!

Mal von Anfang an: In der Bäckerei sind es gefühlte achtzig Grad. Um fünf Uhr früh bin ich aufgestanden, um kurz vor sechs erwische ich einen Kunden im Laden wie er sich eine frisch gebackene Mini-Pizza mit der Hand aus der Theke fischt und diese - aus welchen Grund auch immer - wieder rein legt. Ich muss geduldig erklären, dass dieses Verhalten leider inakzeptabel ist (dafür sind die Selbstbedienungs-Zangen da!) und wir die Mini-Pizza in jedem Fall wegwerfen müssen da sich durch die kleinste Berührung mögliche übertragene Bakterien auf die anderen Backwaren verteilen könnten. Ein wenig rumdisskutieren, Berliner eintüten, dasselbe mit den tief gefrorenen Quarkbällchen tun, den Laden kehren, Kassieren, dann setzt die erste Kaffeemaschine aus. Schläuche ausbauen, reinigen, Ersatzteile einbauen. Aber wo sind die Ersatzteile? Immer zwischendurch: "Möchten Sie Ihre Brötchen bezahlen? Ja, ich komme sofort! Hab garnicht bemerkt, dass Sie an der Kasse standen..." 
Um sechs Uhr sehe ich aus dem Augenwinkel meine zwei Kolleginnen das erste Mal rauchen gehen. Um sieben Uhr das zweite. Um acht das dritte. Um halb neun das vierte. Der Laden ist rappellvoll. Um zehn gehen sie zusammen mit der dritten, eben erst dazu gekommenen Kollegin ("Wenn ich zurückkomme, gebe ich dir deine Pause, ok?"). Sie kommt tatsächlich zurück und ich bekomme meine heiß ersehnten freien 10 Minuten! Welche Erleichterung! Nach 9 Minuten und fünfundfünfzig Sekunden werde ich gefragt ob ich "dann nicht wieder an der Kasse" sein könnte, "da hinten sind nämlich gerade die Brötchen ausgegangen..?". 

Kein Problem. 
Ich rauche ja nicht. 
Und fasten tue ich auch - wozu also unnötig rumsitzen?

Mein Blut kocht. 


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